
sphere
Großgixxer
Themenstarter
Hab grad einen sehr genialen Bericht gefunden, der einem das mit den Steuerzeiten mal etwas verständlich erklärt. Denke das wird vielen Leuten weiterhelfen, fragen zu dem Thema haben, ein gewisses Grundwissen zu dem Thema zu erlangen! Vielleicht kann man das ja mal anpinnen hier. 
http://www.gaskrank.tv/magazin/technik/motorradtuning-steuerzeiten-teil1/

http://www.gaskrank.tv/magazin/technik/motorradtuning-steuerzeiten-teil1/
„Ein dicker Vauzwo zieht von unten.
Einen Vierzylinder mußt du drehen.“
Vergiß es.
Nicht nur die Spitzenleistung, sondern auch der Charakter eines Motors wird von der Nockenwelle, also den Steuerzeiten bestimmt. Mit ihrer Hilfe kannst du aus jedem beliebigen Motor eine drehzahlgierige Sau oder einen brav ziehenden Ochsen machen. Es ist dabei völlig egal, ob du es mit einem Lang- oder Kurzhuber zu tun hast, mit einem Ein- oder Vierzylinder. Unabhängig vom Motorkonzept entscheiden die Steuerzeiten darüber, ob du schon bei niedrigen Drehzahlen Leistung vorfindest – oder keine, ob der Motor eine betont starke Mitte hat, ob ihm bei hohen Drehzahlen die Luft ausgeht oder ob er sich gerade dort besonders wohl fühlt. Natürlich werden großvolumige Vauzwos in den meisten Fällen auf strammen Zug von unten ausgelegt, während 600er Vierzylinder ihr maximales Drehmoment erst bei hohen Drehzahlen erreichen. Das ist aber vor allem ein Zugeständnis der Hersteller an die Erwartung der Kundschaft – und kein originäres Merkmal des Motorenkonzepts.
© Ulf Penner
Beginnen wir mit ein bißchen Theorie und betrachten zuerst den Ansaugtakt:
Der Kolben befindet sich im oberen Totpunkt (OT) und macht sich nun auf den Weg nach unten. Damit er Frischgas ansaugen kann, muß das Einlaßventil öffnen. Sobald der Kolben den unteren Totpunkt (UT) erreicht hat, schließt es wieder und der Verdichtungstakt kann beginnen.
Mit solchen Einlaß-Steuerzeiten würde ein Motor schon laufen und in den Anfangszeiten des Motorenbaus, in denen die maximale Drehzahl bei ein paarhundert Umdrehungen pro Minute lag, reichten sie auch aus. Wer Lust hat, kann in diesem Zusammenhang mal „Schnüffelventil“ in eine Suchmaschine seiner Wahl eingeben. Ich mag Schnüffelventile ja alleine schon wegen ihres Namens und würde gerne noch etwas dazu schreiben, aber der Artikel wird auch so lang genug. Wenn wir nun aber die typische Ventilerhebungskurve eines modernen Motors betrachten, sehen wir, dass das Einlaßventil tatsächlich deutlich länger öffnet.
Bei dieser Gelegenheit noch schnell ein paar Zahlen, die ich mir immer wieder gerne ins Gedächtnis rufe und die das Folgende verdeutlichen sollen: In einem Viertaktmotor muß der Hubraum bei 5000 Umdrehungen in einer Sekunde vierzigmal gefüllt werden muß. Vierzigmal – in einer Sekunde. Und die meisten Motoren drehen heute zwei oder sogar dreimal so hoch. Schon die mittlere Gasgeschwindigkeit im Einlasskanal beträgt bei Nenndrehzahl bis zu 120 m/s (432 Kmh). Weil die Gassäule dabei aus dem Stand beschleunigt werden muß und später durch die kleiner werdende Ventilöffnung wieder gebremst wird, weil außerdem auch der Kolben am Anfang und Ende seiner Abwärtsbewegung relativ langsam ist, liegt die Spitzengeschwindigkeit ungefähr um den Faktor 1,6 höher. Bei diesen Beschleunigungen entwickelt selbst Luft eine erstaunliche Masseträgheit und – wenn sie einmal in Bewegung ist – Kraft. Wohl jeder weiß, wie es sich anfühlt, wenn man bei 120 Kmh die Hand aus dem Autofenster hält. Eine Windböe von 150 Kmh fegt einen Fußgänger locker von der Straße. Bei 432 Kmh wäre sie schon mehr als achtmal so stark.
Viertakt Tuning Fibel
Schauen wir uns nun wieder den Einlassbeginn an. Er bezeichnet den Punkt, an dem das Einlassventil mit der Öffnung anfängt und liegt schon deutlich vor OT. Der Grund dafür ist, daß ein Ventil sich nicht beliebig schnell öffnen lässt. Also muß es vor OT damit beginnen, um rechtzeitig einen großen Querschnitt freizugeben. Der Kolben erreicht seine maximale Geschwindigkeit, bevor er die Hälfte des Weges zurückgelegt hat, und das einströmende Frischgas würde sonst unnötig stark hinterherhinken. Heutige Motoren drehen aber so hoch, dass sich auch mit großen Ansaugquerschnitten eine Verzögerung bis zum Ende des Ansautaktes nicht vermeiden läßt.
Aus diesem Grund bleibt das Ventil auch dann noch geöffnet, wenn der Kolben den UT durchschritten hat und der Kompressionstakt beginnt, weil zu diesem Zeitpunkt immer noch Unterdruck im Zylinder herrscht. Wenn der ausgeglichen ist, drückt die Gassäule im Einlasskanal gegen die Aufwärtsbewegung des Kolbens weiter Gemisch in den Zylinder. Erst wenn der Druck im Zylinder soweit gestiegen ist, dass er den des einströmenden Gemischs erreicht, sollte das Einlassventil schließen. Die Füllung wir dabei umso stärker verzögert, je höher der Motor dreht. Ein später Einlassschluss ist deswegen vor allem bei hohen Drehzahlen notwendig, bedeutet aber auch, dass bei niedrigen Drehzahlen ein Teil der Füllung wieder verloren geht, weil er in den Einlaß zurückgeschoben wird. Das ist der wesentliche Grund, aus dem Motoren mit hoher Literleistung unten relativ schlecht gehen. Prinzipiell wird sich das nie vermeiden lassen, in der Praxis ist dieser Effekt aber nicht so stark, wie man zunächst vermuten möchte. Dazu später mehr.
Der Rest des Kompressionstaktes wird mit geschlossenen Ventilen erledigt und das bleibt auch den größten Teil des folgenden Verbrennungstaktes so. Zu dessen Ende öffnet das Auslassventil vor UT, um das verbrannte Gas schon vor dem eigentlichen Ausstoßtakt in den Auslasskanal strömen zu lassen, damit der Kolben bei seiner Aufwärtsbewegung nicht gegen einen zu hohen Druck arbeiten muß. Weil der Verbrennungsdruck dort noch ca. 5 bar beträgt, liegt die Geschwindigkeit des Abgases zu Beginn der Ventilöffnung bei Schallgeschwindigkeit und es strömt mit einem Knall in den Auspuff. Durch die frühe Öffnung des Ventils wird zwar etwas Energie verschenkt, aber der Verlust ist in diesem Fall relativ gering, weil der Hebel des Pleuellagers in dieser Stellung zur Kurbelwelle schon sehr klein ist und auch der Verbrennungsdruck nur noch ungefähr ein Zehntel seiner ursprünglichen Kraft hat. Jetzt bewegt sich der Kolben nach oben und drückt das verbrannte Gemisch in den Auspuff. Unterstützt wird er am Ende seines Weges durch einen Sog aus dem Auslaß, in dem das ausströmende Abgas nun einen Unterduck erzeugt. Dabei spielt die Konstruktion der Auspuffanlage eine wichtige Rolle. Auch dazu später mehr.
Der Auslassschluss liegt hinter OT, also dem Ende des Ausstoßtaktes. Ein Grund dafür ist wiederum, dass das Ventil sich nicht beliebig schnell schließen lässt und es auch hier eine drehzahlabhängige Verzögerung der Strömung gibt, die es erforderlich macht, zum Ende des Auslasstaktes noch eine möglichst große Öffnung freizugeben.
Ein mindestens ebenso wichtiger Grund liegt in der Ventilüberschneidung. Mit Ventilüberschneidung wird der Bereich im Übergang vom Ausstoß- zum Ansaugtakt bezeichnet, in dem beide Ventile geöffnet sind. Ihre Rolle beim Gaswechsel und der Leistungsfindung kann man garnicht hoch genug einschätzen. Manchmal höre ich etwas in der Art von „Der Motor hat eine große Ventilüberschneidung und geht nur noch obenrum“. Lass dir davon nicht bangemachen. Tatsächlich bewirkt gerade eine starke Ventilüberschneidung ein hohes Drehmoment. Und das kann sich durchaus schon bei relativ niedrigen Drehzahlen einfinden.